Als Teil des Bündnisses Gemeinsam in die Offensive rufen wir zur Kundgebung anlässlich des Tags der Befreiung auf. Hier der Aufruf des Bündnisses:
Nie wieder! Erinnern heißt Kämpfen!
76 Jahre nach dem symbolischen Ende des Nationalsozialismus, dem sogenannten „Tag der Befreiung“ vergeht kaum eine Woche, ohne dass ein neuer „Skandal“ im Polizeiapparat bekannt wird. Mittlerweile sollte allen klar sein, dass dies nicht einfach viele Einzelfälle sind.
Diese Entwicklung ist nicht neu. Sie ist zum Teil die Konsequenz aus deutscher Tradition und einer sehr inkonsequenten Entnazifizierung. Diese angebliche Entnazifizierung scheiterte schon Anfang 1950. Die Mär von der Befreiung vom Nationalsozialismus reproduziert ein problematisches Bild vom unterdrückten deutschen Volk und ist ein typisches Narrativ deutscher Täter-Opfer-Umkehr. Deutschland wurde nicht befreit, sondern von den Alliierten besiegt!
Vor allem in der BRD hatten „ehemalige Nazis“ meistens keine Probleme ihre alten Positionen wiederzuerlangen. Gerade im Kampf gegen Kommunist*innen, Anarchist*innen und andere Antifaschist*innen waren sie gefragte Fachkräfte für den Staatsapparat. Bei der Gründung vom Bundeskriminalamt, dem Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst waren dort fast ausschließlich Altnazis beschäftigt. 1959 waren zwei Drittel aller BKA-Mitarbeiter*innen ehemalige SS-Angehörige. 1969 waren immer noch die Hälfte aller Mitarbeiter*innen im BKA ehemalige NSDAP-Mitglieder.
In der DDR wurde in den Bereichen der Justiz und der Polizei zwar etwas konsequenter entnazifiziert, trotzdem konnten auch hier viele Nazis unbehelligt leben und zum Teil in der NVA oder anderen Schlüsselpositionen Karriere machen. Eine Aufarbeitung der NS-Zeit fand fast gar nicht statt. Was nach der Wende, als Nazis die nationalistische und rassistische Stimmung ausnutzen konnten, zu dem führte, was heute oft als „Baseballschläger Jahre“ bezeichnet wird. Dies gipfelte u.a. in den Pogromen von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, Morden wie dem an Amadeu Antonio oder rassistischen Hetzjagden und Übergriffen. Westdeutsche Nazis gaben fleißig Aufbauhilfe, während die deutsche Justiz und Polizei sich wenig bis gar nicht daran störte und die Nazis eher unterstützte, als gegen sie vorzugehen.
Auch heute sind rassistische und antisemitische Übergriffe der deutschen Polizei und ihre rassistische Struktur täglich zu beobachten. Auch in Niedersachsen: Dies zeigt sich z.B. daran, dass die Polizei bei Querdenken-Demos als Redner*in auftritt oder in der Polizeipraxis des Racial Profiling. Die rassistische Durchsetzung zeigt sich aber auch in der gezielten Verhinderung der Aufarbeitung von Verstrickungen des Verfassungsschutzes in den NSU oder in der Nicht-Aufklärung der Todesfälle in Polizeigewahrsam. Wie zuletzt der Fall des durch einen Polizeieinsatz getötete 19-jährige Qosay K., der wegen etwas Gras brutal verhaftet wurde und nach ein paar Stunden im Polizeigewahrsam starb. Oder auch der Fall des 19-jährigen Aman A. der durch ganze fünf (!) Schüsse eines Polizeibeamten getötet wurde, nachdem die Polizei die Situation eskaliert hatte. Unvergessen bleiben natürlich auch die Morde an Ouri Jalloh und Halim Dener. Halim Dener wurde 1994 in Hannover beim Plakatieren von Zivilbeamten erschossen.
Wir wollen auf die Straße gehen, um den Millionen ermordeten Jüd*innen, Sinti*zze und Rom*nja, Zwangsarbeiter*innen, Antifaschist*innen, politischen Gegner*innen, Menschen mit Behinderung, Menschen mit nicht hetrosexueller Orientierung, sogenannten „Asozialen“ und all den anderen zu gedenken, die nicht in das Konzept der deutschen „Volksgemeinschaft“ passten.
Aus diesem Gedenken muss eine historische Verantwortung wachsen. Wir müssen die menschenfeindliche deutsche Kontinuität offen benennen und angreifen – die Ermordeten mahnen uns!
Wir haben genug von Nazis, Rechten und ihren Sicherheitsbehörden. Die Gefahr des Faschismus rührt nicht bloß von der Straße her. Der Terror der letzten Jahre, ausgehend von Polizei, Nazis und anderen Rechten, hat schon viel zu viele Opfer gefordert. Im Kampf gegen sie wäre es fatal und naiv auf staatliche Behörden zu vertrauen.
Nur ein konsequenter und radikaler Antifaschismus kann die Antwort sein. Lasst uns gemeinsam den Faschist*innen auf den Straßen, in Parlamenten, im Staatsdienst, in Bundeswehr und Polizei entgegentreten. Es liegt an uns, etwas zu unternehmen, damit endlich Bewegung in diese menschenfeindliche Gesellschaft kommt.
Der 8. Mai sollte nicht nur ein Tag des Gedenkens an all die Opfer des Nationalsozialismus sein. Der 8. Mai sollte ein Tag sein, an dem wir auch des Widerstands all derer Menschen gedenken, die damals den rechten Terror nicht hingenommen haben.
„Erinnern heißt Kämpfen“ steht auf einer kleinen Tafel am Ort der Kundgebung, die im letzten Jahr in Gedenken an die Zwangsarbeiter*innen, die während des zweiten Weltkriegs auf dem Halim-Dener-Platz leben mussten, angebracht wurde. Lasst uns daher nicht nur trauern, sondern in Erinnerung an alle Opfer den Kampf konsequent weiterführen.
Lasst uns alle zusammen am Tag der „Befreiung“ ein Zeichen gegen den Faschismus setzen.
Für ein Ende der rechten Gewalt! Solidarität mit allen Betroffenen!
Für eine Ende der Verhältnisse, die die rechte Gewalt immer wieder ermöglichen!
Gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus! Schluss mit Repression gegen Antifaschist*innen
Freiheit und Glück für Lina, Dy und alle anderen politischen Gefangenen!
Für einen Konsequenten Antifaschismus! Für eine solidarische Gesellschaft!
In Gedenken an die Millionen Toten des NS-Terrors!
Alerta Alerta Antifascista!
Bündnis Gemeinsam in die Offensive